Mittwoch, 20. Juni 2012

Santa Cruz


(Vorab: Vielen Dank an den 'Hans im Glück' Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares)

Langsam gleitet das Schiff den Fluss hinab. Kapitän Rot lugt durch sein Fernrohr... da hinten... das könnte ein guter Platz für eine Siedlung sein. Er holt gerade Luft, um seinem ersten Maat den Befehl zum Anlegen zu geben...
... da sieht er, dass Kapitän Gelb – die alte Pottsau – bereits schneller war und ihm eine Siedlung vor die Nase gepflanzt hat. Na super. Ganz großes Kino. Jetzt muss Kapitän Rot über den Landweg weiter. Oder erneut an der Küste ansetzen.

 Aber insgeheim grinst der Rote. Denn er will gleich die Fischereien werten. Und zwar alleine. Denn die hat Gelb völlig außer Acht gelassen...

... und damit ein salziges „Ahoi!“ und willkommen zu „Santa Cruz“, dem neuen Spiel von Marcel-André Casasola Merkle, erschienen bei „Hans im Glück“. Zwei bis vier Kapitäne umschippern das Eiland von ‚Santa Cruz‘ und versuchen, die punkteträchtigsten Anlegeplätze, Wege und Wertungsmöglichkeiten zu finden – und zwar vor den – wie immer – massiv ungeliebten Mitspielern.


Das ist ja mal ganz was Neues... man muss besser sein, als die Mitspieler... *schnarch*

Ja, ja, ja. Ist halt wie immer. Aber auch irgendwie nicht. Denn die Qual der Wahl geht schon vor dem Spiel los.

Mit Hilfe von Karten bewege ich mich auf der Insel umher. Entweder ich spiele ein Schiff, dann darf ich auf einem Küstenfeld landen. Oder einen Weg, dann darf mich auf Selbigem weiterbewegen. Oder einen Fluss... dann halt auf dem Fluss weiter.

Man bekommt aber nicht zufällig gezogene Karten auf die Hand, um das zu bewerkstelligen. Man darf sich vielmehr vor dem Spiel einen von vier Kartensätzen aussuchen, die alle anders gestaffelt sind. Bei einem gibt’s mehr Wegekarten, beim Anderen mehr Flusskarten, einer ist sehr gemischt und einer hilft einem, mehr an der Küste zu landen.

Dazu gibt’s für jeden noch drei zufällig gezogene Wertungskarten. Mehr zu denen: weiter unten. Also später halt.

Komm zu Potte...

Nachdem wir uns einen Kartensatz ausgesucht und drei zufällige Wertungskarten gezogen haben, dürfen wir kostenlos auf einem Küstenfeld „anlanden“. Die Plättchen auf den Küstenfeldern sind Anfangs alle offen, der Rest verdeckt. Ich schaue also, was auf dem Plättchen, auf dem ich „anlanden“ will, aufgedruckt ist und stelle den entsprechenden Spielstein drauf – das kann eine Siedlung oder Kirche oder ein Leuchtturm sein – und sacke die aufgedruckten Siegpunkte ein. Alle Plättchen, die jetzt an mein Feld angrenzen, werden aufgedeckt. 

Und dann geht’s los.


Bin ich dran, spiele ich eine Karte. Ist es eine Bewegungskarte, gehe ich von einem meiner Felder aus weiter (entweder einen Weg oder Fluss oder irgendwo an der Küste landen) und nehme das Zielplättchen in Besitz, indem ich den passenden Spielstein draufstelle. Dafür gibt’s die Punkte und eventuell noch einen Vogelchip. Die werden bei Spielende gewertet und sind 1-3 Punkte wert.

Oder ich spiele eine Wertungskarte. Werten kann man bei ‚Santa Cruz‘ alles Mögliche. Eine bestimme Kombination von Spielsteinen, die ich auf den Brett haben muss, Flussfelder, die ich belegt habe, man kann sogar einen Vulkan ausbrechen lassen, der die Gebäude der Mitspieler aus dem Spiel sprengt. Und dann gibt es noch die Waren. Auf manchen Plättchen sind neben Siegpunkten, Spielsteinen und Vogelchips auch Waren abgebildet. Spiele ich also eine ‚Gold‘ Wertungskarte, gibt’s Punkte, wenn ich auf einem Plättchen stehe, auf dem Gold aufgedruckt ist.

ABER: nicht nur ich bekomme die Punkte, sondern ALLE, die zu diesem Zeitpunkt die Bedingungen der Wertungskarte erfüllt haben. Sollte ich der einzige sein, bekomme ich auch allein die Punkte (eat this, Mitspieler!).

Das stellt einen vor viele interessante Herausforderungen: man muss nicht nur gucken, wann man seine Wertungskarten so einsetzt, damit man allein die Punkte bekommt. Man muss auch gucken, auf welche Plättchen sich die Mitspieler stürzen. Vielleicht kann man sich punktetechnisch ja noch einzecken.

Haben alle ihre Karten gespielt (Bewegungs- und Punktekarten), kommt Akt II von ‚Santa Cruz‘:

Alles, was bis jetzt entdeckt war, bleibt auch offen liegen. ABER: man bekommt nicht schnöde seine Karten wieder auf die Hand zurück. Nein, jetzt darf sich jeder aussuchen, ob er die zweite Runde noch mal mit seinen eigenen Karten spielt oder lieber den Satz eines Mitspielers nimmt.

Das heißt: für die zweite Runde weiß man, wer welche Karten auf der Hand hält. Besonders, welche Wertungskarten (wobei am Anfang von Runde zwei eine der Wertungskarten gegen eine zufällige vom Stapel ausgetauscht werden kann... man kann sich also nur zu 66% sicher sein... aber immerhin).

Somit läuft die zweite Runde unter ganz anderen Vorzeichen. Man weiß bereits, wo welche Plättchen liegen und man weiß UNGEFÄHR, was von den Mitspielern gewertet wird.

Okay... mhhh... klingt ganz interessant... aber auch ein bisschen schwierig...

Nein, das ist es überhaupt nicht. Es ist nur ungewöhnlich. Eine Partie reichte bisher, um alle Mitspieler von ‚Santa Cruz‘ zu überzeugen. Die erste Hälfte ist nett, locker, man spielt so vor sich hin.

Aber das große „Achsoooooo.....!!!“ kommt zu Beginn der zweiten Runde. Und dann wird auch noch mal gern eine weitere Partie angehangen. Denn ein weiterer Pluspunkt von ‚Santa Cruz‘: es ist zeitlich sehr überschaubar. Ca. 30-50 Minuten. Aber das, ohne zu simpel oder öde zu sein.

Mir – und allen Mitspielern – gefällt ‚Santa Cruz‘ ganz ausgezeichnet. Es hat eine Tiefe, die man am Anfang gar nicht erahnt. Und das, ohne kompliziert zu sein.
Die Regeln sind ebenfalls hervorragend gestaltet, fast schon wie ein Comic, sind sehr schön bebildert und lassen keine Frage offen.

Dazu noch die „Hans im Glück“ typische sehr schöne Grafik, der sehr große und praktische Spielplan...

... MEINES Erachtens hätte man ‚Santa Cruz‘ auf die Nominierungsliste zum Spiel des Jahres 2012 setzen sollen. Aber es wird ja immerhin empfohlen. Und das ist bei diesem Spiel auch das Mindeste. Finde ich.

Santa Cruz
Von Marcel-André Casasola Merkle
Verlag: Hans im Glück
2-4 Spieler
Ab 8 Jahren
Dauer: 30-50 Minuten

Rezension: Christoph Schlewinski

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