Sonntag, 19. Februar 2012

Trajan


Als Patrizier im alten Rom hatte man es schon schwer. Morgens aufstehen und sich fragen, ob man die Wilden im Rest Europas unterwerfen soll... oder vielleicht ein bisschen an Rom weiter bauen könnte... oder mal den Senat aufmischen... oder ein  bisschen Handel treiben... oder Kaiser Trajan eine Kleinigkeit schenken, damit er einen mit Gunst überhäuft... oder gucken, was am Forum so los ist... aber was ist das? Das Volk will etwas? Brot? Spiele? Seelenheil? *STÖHN* Na gut, dann guck ich mal, ob ich es zufriedenstellen kann.

„First world problems“ nennt man so etwas wohl, denn vor all diesen Entscheidungen steht man als Spieler von „Trajan“ dem neuen Spiel von Stefan Feld, erschienen im neu gegründeten „Ammonit“ Verlag. Nur nichts tun bringt keine Punkte... aber nichts tun kann man nicht. Also gibt’s für (fast) alles Punkte. Aber – wie bei Herrn Feld üblich – muss man sich schon genau überlegen, was man wie macht... und die Wünsche des gemeinen Volkes sollte man unter keinen Umständen aus den Augen verlieren. Sonst gibt’s einen hinten drauf.


Klingt gut. Wie geht’s denn jetzt?

Bei „Trajan“ müssen wir Spieler aus den üppigen Möglichkeiten, Siegpunkte abzugreifen, das Beste machen. Dabei können wir auf folgende Aktionen zurückgreifen:
1: Waren verschiffen
2: Ein Forumsplättchen nehmen
3: Einen Feldherren oder eine Legion bewegen
4: Den Senat besuchen
5: Ein Trajansplättchen nehmen
6: Gebäude bauen

Gleich schon mal vorweg: die Art, wie man sich seine Aktion aussucht, erzeugt bei den ersten Partien immer ein großes „Hallo!“, denn wir sagen nicht einfach plump „ich bau jetzt was“ sondern müssen auf unserem Tableau farbige Steine von Schale zu Schale bewegen (wie beim „Mankala“ Spiel... eine wirklich schöne Idee von Herrn Feld, diesen Mechanismus so zu übernehmen).

Ich mach also eine Kuhle leer und fülle im Uhrzeigersinn die Nachfolgenden mit jeweils einem Stein. Die Schale in der ich ende zeigt an, welche Aktion ich mache.
Sollten sich durch Zufall oder geniale Planung zwei Farben in der Schale befinden, die auf den anliegenden Trajans-Plättchen zu sehen sind, bekomme ich den Bonus auf dem Plättchen – und selbiges wandert aus dem Spiel.

Was kann ich also tun? Enden ich bei der Aktion „Hafen“ kann ich mir entweder eine Warenkarte nehmen (eine offen ausliegende oder vom verdeckten Stapel), oder Waren verschiffen.

Drei Schiffe stehen zur Auswahl, die verschiedene Kombinationen von Waren wollen. Bei einem müssen es verschiedene einzelne Karten sein, beim nächsten verschiedene Paare und beim Letzten gleiche Karten. Je mehr ich verschiffen kann, desto mehr Punkte gibt’s natürlich auch...
... und ich lach mir einen, wenn ich das als Erster gemacht hab, denn dann wird das Schiff auf die Rückseite gedreht und für den Rest der Runde bekommen die Mitspieler weniger Punkte dafür (eat this, ihr Schweinepriester).

Mit der Aktion „Armee“ kann ich entweder mein Feldlager mit einer Legion aufstocken, oder meinen General in ein angrenzendes Land bewegen und das Plättchen abgreifen oder eine Legion zu meinem General stellen und damit die Siegpunkte einsacken.

Bei der Aktion „Bauen“ kann ich entweder einen Arbeiter ins Arbeitslager schicken, oder von da aus nach Rom, um ein Gebäude zu bauen und dafür die aufgedruckten Siegpunkte zu kassieren. Bau ich mein Erstes dieser Sorte, gibt’s für mich noch eine Bonusaktion, die ich sofort machen kann. Und Gebäude bringen auch noch am Ende Siegpunkte. Drei einer Sorte 10 und vier einer Sorte 20. Und NATÜRLICH gibt’s nur vier von jeder Sorte. Da heißt es: schneller sein, als die doofen Konkurrenten.


Mit dem „Senat“ bewege ich meinen Senatsstein ein Feld weiter und bekomm dafür die aufgedruckten Siegpunkte. Und dazu noch Wahlstimmen. Wer nach der Zwischenwertung (wann die ist, kommt noch) die meisten davon hat, darf sich eine der ausliegenden Bonustafeln aussuchen (und wer die zweit Meisten hat, die andere – die aber mit der Seite, die weniger bringt). Die bringen bei Spielende entweder Siegpunkte für bestimmte Waren, die man verschifft hat, oder für Legionen oder für Arbeiter oder für Bonustafeln... und damit kann man eine MENGE Punkte machen. Wenn man es richtig anstellt.

Bei „Trajan“ suche ich mir ein offen liegendes Trajansplättchen aus und lege es an die Kuhle, an der meine Trajans-Säule steht. Die kommt dann auf die nächste freie Kuhle.

Und dann noch das „Forum“. Hier nehm ich mir einfach eines der ausliegenden Plättchen und leg das erst Mal auf mein Tableau. Das kann ein Wunsch des Volkes sein oder noch mehr Senatsstimmen oder vielleicht sogar eine Bonusaktion, die ich mir für später aufheben kann.

Was war denn jetzt mit dem Volk? Das wollte doch was...

Oh ja, das will was. Aber zuerst sollte man wissen, wann so eine Runde zu Ende ist.
Immer, wenn ich Steine aus einer Schale nehme, sage ich an, wie viele... und ein verantwortungsvoller Mitspieler bewegt den Zeitstein auf der Zeitleiste untem am Spielplan genauso viele Felder weiter im Uhrzeigersinn.
Kommt der Zeitstein dabei über das Startfeld, ist eine Runde vorbei und das Volk äußert einen Wunsch. Das kann entweder „Brot“ oder „Spiele“ oder „Seelenheil“ sein.
Drei dieser Dinge will das Volk – und nach Runde vier gibt’s eine Zwischenwertung. Da schaut jeder, wie viele Wünsche er erfüllen konnte. Und je mehr man nicht befriedigen konnte, desto mehr Minuspunkte gibt’s für einen.

Volkes Wünsche kann ich entweder beim „Forum“ sammeln oder indem ich mit meinem General durch Europa wandere – vorausgesetzt, es liegen irgendwo diese Plättchen aus. Es kann durchaus sein, dass ein Wunsch nirgendwo ausliegt. Dann heißt es eben für alle Spieler: Minuspunkte.

Es gibt allerdings auch Trajans-Plättchen, die, wenn man sie erfüllt hat, permanent eine Forderung des Pöbels erfüllen. Da hat man es dann ein wenig einfacher, dem Zorn des Plebs (und den Minuspunkten) zu entgehen.

Nach jeder Zwischenwertung werden alle ausliegenden Forumsplättchen eingesammelt und Neue ausgelegt, die Schiffe wieder auf die „mehr Punkte“ Seite gedreht, alle Senatssteine kommen wieder auf „0“ und zwei neue Bonuspunkt-Tafeln werden aufgedeckt.

Und wann ist das Spiel zu Ende?

Nach der 4ten Zwischenwertung. Dann gibt’s noch Punkte für gleiche Gebäude, für Bonusplättchen, die man beim Senat bekommen hat und für Arbeiter und Legionen, die sich noch in den jeweiligen Lagern befinden. Und dann wars das.

Aha. Klingt alles reichlich kompliziert, wenn du mich fragst. Und wie ist das jetzt so?

Volker: findet es fantastisch und will es unbedingt haben.
Petra: findet es super und spielt es immer wieder gerne.
Ulli: ebenfalls.
Ueli: ebenfalls.
Andere Mitspieler: toll, super, klasse.
Und ich: super Spiel!!! Eines der besten des aktuellen Jahrgangs.

Man muss aber auch sagen: die erste Partie ist zum Kennenlernen. Man ist erst Mal reichlich überfordert, was man wie machen soll. Und was sich überhaupt lohnt. 20 Siegpunkte für vier gleiche Gebäude – das ist eine Menge. Aber wenn die blöden Schweine von Mitspielern da auch drauf spielen, hat man vielleicht schon etliche Aktionen damit verschwendet und hätte lieber Waren verschiffen sollen... oder Senatsstimmen abgreifen, damit man Bonustafeln bekommt oder was erobern für Siegpunkte.

Spielt man es allerdings zum zweiten Mal, ist es überraschend eingänglich und auch relativ selbsterklärend. Wir mussten ab Partie zwei die Regeln nur für ein paar kleine Detailfragen heranziehen. Und das ist immer ein gutes Zeichen.

Dazu ist es hervorragend ausgestattet mit massig viel Zeugs, alles gut gestaltet und übersichtlich.
WENN es was zu meckern gibt (aber auf hohem Niveau), dann: es gibt keine Kurzübersicht für die Spieler und: in den deutschen Regeln fehlt die Passage, dass Gebäude einem sofort die Siegpunkte geben, die drauf stehen. Aber das steht in den englischen Regeln.

Viele sagen, „Trajan“ ist ein sogenanntes „Vielspieler“ Spiel. Das mag vielleicht auch sein. Aber wenn man es richtig rüber bringt, kann man damit auch Spieler ansprechen, die so eine Art von Spiel wenig bis gar nicht auf den Tisch bringen.

UND: kennt man „Trajan“ schon und spielt stellt es anderen vor, sollte man dringend Strategietipps geben. Das erhöht den Spielspaß für die Neulinge ungemein.

Trajan
Von Stefan Feld
Ammonit Verlag
Für 2-4 Spieler ab 10 Jahren

Rezension: Christoph Schlewinski

Vielen Dank an den "Ammonit" Verlag für die Bereitstellung der Fotos!

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